„Ich habe doch die ganze Zeit gesagt, dass ich kein Fascho bin! Und jetzt willst du mich trotzdem erschießen?“ Bestimmt wähnt sich bei diesem Ausruf der Verzweiflung der/die ein oder andere bei einer diskursiven Begegnung in der berüchtigten Roten Straße Göttingens. Doch weit gefehlt! Es war das Hüttenwochenende 2022 des Göttinger Debattierclubs, das Herzen und Emotionen höherschlagen ließ und von dutzenden solcher spaßig-spielerischen Empörungsvorwürfe begleitet wurde. Doch dazu später mehr. Denn beginnen soll dieser wehmütig-nostalgische, weder chronologische noch vollständige Rückblick mit einer kurzen einordnenden Umschreibung der Gesamtsituation. Es war nämlich das erste Mal (seit langer Zeit?), dass sich der beliebte Debattierclub aus Göttingen selbst um die Veranstaltung einer Freizeitfahrt kümmern musste und nicht von einer spendablen Stiftung in ihre luxuriösen Räumlichkeiten eingeladen wurde. Entsprechend viel Last lag auf den starken Schultern unserer angehimmelten Präsidentin Hannah Bilgenroth, der nun die verantwortungsvolle Aufgabe zukam, eine schöne Bleibe für die gemeinsame Kennenlernzeit zu finden, die Anreise ebenso zu planen wie die Mahlzeiten. Und was soll man sagen? Das ausgesuchte Selbstversorgerhaus in der Nähe der pulsierenden Kleinstadt Eschwege stellte sich als wie maßgeschneidert für die Göttinger Debattierfreunde heraus und wurde Zeuge eines wohl nie zuvor erlebten Gruppenzusammenhalts. Die entlegene Waldhütte aus den geschätzten 1930er Jahren bot nämlich nicht nur eine Vielzahl, in spartanischem Schick eingerichteter, Mehrbettzimmer, sondern auch mehrere Gemeinschaftsräume, deren großelterliche Holzverkleidungen sofort für Gefühle entspannter Wohligkeit sorgten und genug Platz für allerlei Aktivitäten boten. Auch das Koch- und Speisezimmer traf aufgrund seines Retro-Stils zweifellos den vorherrschenden Zeitgeist und Geschmack der hippen Angereisten.
Genutzt wurden diese diversen Räumlichkeiten primär, wie soll es bei einer Fahrt mit engen Freunden und Bekannten auch anders sein, für die Einnahme gemeinsamer Früh-, Mittag- und Abendessen. In fair aufgeteilter Arbeitsteilung wurden herrlich-köstliche Gerichte zubereitet, die einem jeden Feinschmecker sofort das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Insbesondere die Linsenbolognese südthailändischer Art wusste mit feinen Röstaromen zu überzeugen und erfreute Köch:innen wie Restliche gleichermaßen. Aufgrund der genialen Planung unserer immer in weiser Voraussicht blickenden Präsidentin konnten sich die Teilnehmenden zudem dauerhaft über die am Abend des ersten Tages angelieferte Pizza freuen, die als praktischer Zwischensnack fungierte und zumindest einen der Teilnehmenden vor bösen Katererfahrungen rettete. Kein Wunder also, dass die Mitglieder des Debattierclubs das Wochenende mit durchschnittlich 2 Kilo mehr auf den Rippen verließen.
Wie es sich für einen hochkarätigen und renommierten Debattierclub gehört, wurde selbstverständlich auch ein signifikanter Teil der Wochenendtage darauf verwandt, die Teilnehmenden in ihrer Redekunst zu schulen. Nicht nur wurden sehr eingebungsreiche Workshops mit einem besonderen Fokus auf Argumentationsstrukturen angeboten, Teilnehmende konnten ihre Debattierfähigkeiten auch in den zahlreichen gleichsam spannenden wie geistreichen Übungsdebatten erproben, verbessern und den letzten Schliff verpassen. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Ehrenmitglied Sören, der mit seiner unvergleichlichen Expertise selbstlos die jungen Nachwuchstalente an die Zitze der Debattiereinsicht nahm und für deutliche Fortschritte bei allen Teilnehmenden sorgte. Hitzig, aber selbstverständlich respektvoll und angemessen, wurde etwa darüber debattiert, ob Gebäude bei langem Leerstand Bedürftigen kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollten, welche Vorteile eine Technokratie hätte oder ob die Bundesregierung das Kinderkriegen aktiv bewerben sollte. Diese Diversität an Themen war es, die nicht nur große Spannung in die Debatten brachte, sondern die Teilnehmenden in allen Belangen forderte.
Vielleicht noch mehr als das vielfältige Trainingsangebot wussten die frivolen Freizeitaktivitäten zu überzeugen, die trotz des üppigen Produktivprogramms nicht zu kurz kamen. Während einige der Teilnehmenden freundliche Maultiere besuchten und sich die Füße im nahegelegenen Wald vertraten, saßen die anderen bei Schokolade und Müsliriegeln am Spieltisch und probierten sich bei verschiedensten Gesellschaftsspielen aus. Besondere Highlights stellten die vielen Runden von Secret Hitler, eines Werwolf ähnelndes Gesellschaftsspiels, dar. Mit wilden Diskussionen versuchten die Debattiermitglieder ihre eigene Haut zu retten und das andere Team (selbstredend nur spielerisch) auszuschalten. Dank einiger Flaschen Rotwein des Jahrgangs 2016 – hier ließ es sich der Debattierclub Göttingen noch nie lumpen – wurde die Spielzeit mit flammenden Reden und emotionalen Anschuldigungen gefüllt. Ein wahrlich großer Spaß! An dieser Stelle sei auch besonderer Dank an die allseits verehrte Vizepräsidentin des Debattierclubs, Iva Jahreis, zu richten, die mit ihrer Musikbox und tosender Tanzlaune den wichtigen Grundstein für eine gelungene Disconacht legte. Zwar hielten sich einige Mitglieder von der Tanzfläche fern und debattierten lieber im kleinen Kreis aufregende gesellschaftliche Themen, doch wurde der auserkorene Clubraum für mehrere Stunde von partylaunigeren Teilnehmenden betanzt.
In Anbetracht dieser außerordentlich attraktiven Aktivitäten und lehrreichen Stunden war es sodann kein Wunder, dass viele der Teilnehmenden bei der sonntägigen Abfahrt die ein oder andere Träne verdrücken mussten. Zu intensiv, zu schön und ausgewogen war die gemeinsame Zeit im abgelegenen Selbstversorgerhaus. Doch trotz dieses Zurücklassens von Vielem bleibt eine Gewissheit: Auch im nächsten Jahr wird es genug Möglichkeiten für gemeinsame Ausflüge geben! Vielleicht bist du dabei?

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